Der große Strom

Der Große Strom ist die Lebensader Mradoshans. Die Mehrzahl der Städte und Kulturen haben sich an seinen Ufern versammelt und tagtäglich reisen mehr Bewohner der Dschungelwelt auf ihm oder an seinem Ufer entlang als auf allen anderen großen Routen zusammen. Er ist aber nicht nur Transportmittel, sondern auch Nahrungsspender in zweierlei Hinsicht: zum einen scheint sein Wasser von Vanor und Mehdora mit einem unerschöpflichem Fischreichtum gesegnet worden zu sein, zum anderen hinterläßt er bei den jährlich auftretenden Überschwemmungen an seinem Ufer fruchtbaren Schlamm, der gerade Ashrabad die Selbständigkeit in der Nahrungsversorgung ermöglicht.

Der Strom entspringt als einer von sieben Flüssen dem Hochplateau von Nahaya im Herzen der Hauptstadt der Allianz, ergießt sich über ein Schleusensystem in den Metchuràn und fließt ab dort wesentlich träger und ruhiger dem Meer entgegen.

Wenngleich der Strom auf dem Großteil seiner Länge nur sehr träge fließt und die Strömung kaum zu spüren ist, haben viele Schiffe eine gewisse Mühe, stromaufwärts zu fahren, zumal der Wind auch meist in Fließrichtung über das Wasser streicht. Während also Galeeren und sonstige geruderte Schiffe ganz gut vorankommen, müssen reine Segelschiffe auf einen der seltenen nach Osten wehenden Winde warten oder sich vom Ufer aus über Treidelpfade durch mächtige Zugechsen ziehen lassen, was freilich nicht billig ist. Ein Kreuzen auf dem Strom ist für größere Schiffe erst ab Gilgat möglich, denn nur hier hat der Strom die nötige Breite.

Nicht minder vielbefahren ist die Straße, die dem Strom treu auf nahezu seiner gesamten Länge folgt. Sie verläuft von der Hauptstadt der Allianz über Metijà, dem Nordufer des Metchuràn entlang bis nach Chiàn. Von dort aus weiter nördlich des Großen Stroms bis nach Ashrabad, wo sie auf das Südufer wechselt und dort bis zur Mündung des Stromes in das Meer verbleibt.

Der Strom, der Süßwasser führt, ist von wechselnder Breite. Ist er bei Chiàn und Gilgat recht überschaubar, so wird er an seiner breitesten Stelle (hinter den Inseln von Ashan'drar) bis zu 5000 Vat breit und ist von einem See fast nicht mehr zu unterscheiden. Bei Hochwasser schließlich setzt er ganze Täler unter Wasser. Genauso wechselhaft wie seine Ausmaße ist auch die Farbe seines Wassers. Ständig fließen unzählige Nebenflüsse aus den umliegenden Bergen und Dschungeltälern in ihn hinein und sie alle sind von unterschiedlichster Farbe. Bei Chiàn wird sein Wasser mit einem starken Rotton vom Homang durchsetzt, doch schon wenn er Rash-Magapur erreicht hat, zeigt er sich in dunklem Grün. In Ashrabad hingegen wird er durch zahlreiche Zuflüsse in tiefes Schwarz gefärbt, doch schon bei Gilgat hat ihn die Erde aus Yedea wieder in helles, schlammiges Gelb gefärbt. Von den alten chiranischen Entdeckerinnen aus dem Goldenen Zeitalter wurde der Strom einst bisweilen auch "Danamenchan", Vielfarbiger, genannt.

Die Uferregionen des Großen Stroms sind vielseitig und zeigen dem Reisenden nahezu alle Landschaften, die Chrestonim zu bieten hat. Von der lieblichen Hügellandschaft rund um den Metchuràn über die von dichten Dschungel bewachsenen Ufer bei Rash-Magapur und Ashrabad, den steilen, felsigen Abhängen des yedeischen Hochlandes und den trockenen Hügeln um Gilgat und Sedib bis hin zu den wieder von Dschungel bewachsenen Ausläufern von Elùrya wird man alles finden, was das neugierige Auge begehrt.

Gerade zwischen Rash-Magapur und Ashrabad ist die Reise auf dem Strom voller Gefahren, bieten die zahlreichen Zuflüsse und toten Seitenarme doch beliebte Verstecke für Flußpiraten, aber auch sonst kann man als Händler sein Geld und seine Waren gut unfreiwillig loswerden, muß man doch an zahlreichen Landesgrenzen teilweise erhebliche Zölle entrichten. Möglichkeiten, über den Strom zu setzen gibt es nur wenige. Zum einen die Fähre direkt an der Mündung des Großen Stroms in den Metchà, dann erst wieder in Ashrabad (dort gibt es einige Brücken über Seitenarme des Stroms, der Hauptstrom ist jedoch ebenfalls nur über Fähren zu überqueren). Die einzige den Strom überspannende Brücke ist die neu errichtete mechanische Zugbrücke von Chiàn. Wenngleich sie sich schon in schwindelnder Höhe über den Strom erstreckt, muß sie hin und wieder für besonders große Schiffe hinaufgezogen werden.